Handball EM 2020 Kolumne Dialog mit meinem Enkel: Die deutsche Handball Nationalmannschaft belegte den fünften Platz bei der Handball Europameisterschaft und verfehlte das selbst gesteckte Ziel Halbfinale sowie Medaille.
Der sehr sportinteressierte Enkel (11) möchte abschließend einige Fragen zur EURO an seinen Großvater und SPORT4FINAL-Redakteur Frank Zepp los werden. Na dann, auf geht’s, lieber Enkel.
Alfred Gislason – Zum Erfolg verdammt ?
DHB Krise. Machtkampf. Erfolg um jeden Preis
Der gescheiterte Bundestrainer Christian Prokop
Christian Prokop „Wir können alle rechnen.“
Deutschlands Handballer in Qualitäts-Nöten
Das Prokop Dilemma: Anspruch und Wirklichkeit
Messlatte Medaille und Weltspitze
30.01.2020 – ZEPPI SPORT NEWS / Frank Zepp:
Handball EM 2020 Kolumne Dialog mit meinem Enkel:
Grüß Dich Großvater, ist der fünfte Rang ein Erfolg für uns oder nicht?
Tja lieber Enkel, gemessen an den individuellen Fähigkeiten der Spieler, der aktuellen Team Performance und der fehlenden Cleverness in der Crunchtime einiger Spiele stellt Platz fünf das bestmögliche Ergebnis für unsere Mannschaft dar. Mehr war aus meiner Sicht nicht drin.
Ich habe im Radio gehört, dass der Bundestrainer öfter an die vor der Europameisterschaft verletzten Spieler erinnerte, als es um die Einordnung der Leistung ging.
Das ist richtig lieber Enkel. Aber nur eine Seite der Medaille. Denn von den sechs Absagen besitzen nur zwei Spieler, Fabian Wiede und Steffen Weinhold, ein gehobenes Leistungs-Niveau für eine Europameisterschaft. Die anderen vier Akteure sind Anschluss-Kader, die sich noch entwickeln müssen.
Nun sind wir wieder beim Haupt-Thema Großvater: Der Bundestrainer sagte weiter im Radio, dass die Mannschaft eine tolle Entwicklung nachgewiesen hat. Stimmt das?
Das ist auch wieder eine Frage der Ansicht und des Bewertungs-Maßstabes, lieber Enkel. Richtig ist natürlich, dass sich unser Team nach der äußerst schwachen Leistung in der Vorrunde stark verbessert bei der Hauptrunde in Wien zeigte, was ich live erleben durfte. Beurteilt man aber die Entwicklung der Mannschaft seit der letzten Weltmeisterschaft bei uns im vergangenen Jahr, dann ist eher Stagnation und keine Weiterentwicklung erkennbar. Zu kritisierende Punkte bei der Handball EM sind für mich hierbei: Schwankende Abwehr-Stabilität, zu wenig Leistungs-Konstanz auf Top-Niveau, gravierende Probleme im Positions-Angriff, fehlende individuelle Klasse und Spieler auf konstant hohem Weltklasse-Niveau über Jahre hinweg und wie ich schon sagte, die Cleverness in der Crunchtime, in der viele Matches im Kampf um Medaillen entschieden werden. Die entscheidenden Spiele bei den letzten drei Großereignissen unter dem Bundestrainer Christian Prokop gingen alle verloren. Das bedeutet im Umkehrschluss: Man muss die Top-Partien gegen Weltklasse-Gegner gewinnen, um Weltklasse nachzuweisen und das entsprechende mentale Selbstvertrauen sowie die Match-Sicherheit zu bekommen. Blick-Zurück: Die letzten Medaillen holte Deutschland 2016 unter Bundestrainer Dagur Sigurdsson mit EM-Gold und Olympia-Bronze!
Großvater, ich muss Dich nochmals mit einem Radio-Zitat nerven. Unser DHB-Präsident Michelmann sagte, dass die Mannschaft ganz dicht an der Weltspitze dran ist. Das klingt doch sehr positiv, oder nicht?
Du Schlaumeier-Enkel! Das sagte Andreas Michelmann auf der Abschluss-Pressekonferenz des DHB in Stockholm, bei der ich auch anwesend war. Von der Platzierung der beiden letzten Jahre bei der Welt- und Europameisterschaft habe ich Dir schon vor einem Jahr versucht zu erklären, dass wir im Bereich der erweiterten Weltspitze sind. Nicht mehr und auch nicht weniger! Es zeigte sich nun bei der Europameisterschaft, dass wir den Abstand zur Weltspitze in dem einen Jahr angesichts Stagnation der Entwicklung des Teams nicht verkürzen konnten. Aber der DHB-Präsident sagte im Interview bei mir, also nicht im Radio, auch noch, „das letzte Stück zur absoluten Weltspitze ist aber das schwerste Stück“. Da gebe ich ihm uneingeschränkt Recht.
Der Bundestrainer bleibt nun bis zu seinem Vertragsende 2022 unser Nationaltrainer?
Diese Frage kann Dir niemand beantworten, weil es bislang bei jeder Meisterschaft offene und versteckte, aber vor allem auch berechtigte Kritik an der Arbeit von Christian Prokop gab. Dabei offenbarte der DHB Führungsschwäche. DHB-Vize Bob Hanning erhöhte öffentlichkeitswirksam ohne Not den Druck auf den Bundestrainer nach der knappen Niederlage gegen Kroatien. Sport-Vorstand Axel Kromer proklamierte für Prokop die Job-Garantie bis zum Turnier um die Olympia-Qualifikation im April in Berlin. Auf der Abschluss-Pressekonferenz zeigte sich Herr Michelmann mit der Öffentlichkeitsarbeit von Hanning und Kromer im „wesentlichen zufrieden“. Meiner Meinung nach wurde das Bild vom DHB eher durch diese Diskussionen und nicht abgestimmten Beiträge der beiden genannten Protagonisten beschädigt. Möglicherweise könnten es auch hinter den Kulissen Machtkämpfe im DHB sein, denn Hanning tritt wohl in eineinhalb Jahren nicht mehr zur Wiederwahl als DHB-Vize-Präsident an. Um aber Deine Frage zu beantworten: Fahren wir zu den Olympischen Spielen im Sommer nach Tokio und gewinnen eine Medaille, bleibt Christian Prokop unser Bundestrainer. Im umgekehrten Fall bekommen wir einen neuen Chef. Andererseits kennst Du ja meine Meinung, dass der Bundestrainer nach drei medaillenlosen Groß-Turnieren hätte abgelöst werden müssen. Auf jeden Fall schon 2018 nach der EURO. Aber Bob Hanning hielt bislang seine schützende Hand über Prokop und verteidigte die Entscheidung aus dem Februar 2017. Zumal der DHB eine Ablöse von ungefähr einer halben Million EURO an den SC DHfK Leipzig zahlte, um Prokop aus dem damals laufenden Vereins-Vertrag zu kaufen.
Ich fand einige deutsche Spieler richtig gut. Zum Beispiel den Verteidiger Pekeler oder den jungen Kastening oder auch „Deinen“ Leipziger Spieler Weber. Was denkst Du darüber, Großvater?
Lieber Enkel, auch dies ist wieder eine Frage der Ansicht und der Messlatte! Beispiel Hendrik Pekeler. Er verkörpert aktuell als einziger deutscher Nationalspieler Weltklasse und kann sich mit den besten Handballern der Welt, sprich die Benchmark, messen. Timo Kastening ist ein junger, talentierter und aufstrebener Rechtsaußen, der bei dieser EURO zum ersten Mal bei den „Großen“ sein großes Potential zeigte. Wenn ihm dies über mehrere Jahre auf höchstem Niveau gelingt, wird er auch ein Weltklasse-Spieler. Philipp Weber beobachte ich seit Jahren bei den Spielen meines „Heimat-Vereins“. Vor zwei Jahren spielte er eine grottenschlechte EURO und in diesem Jahr ragte er im Rückraum bei der deutschen Mannschaft ab der Hauptrunde heraus. Wenn aber der Maßstab Weltklasse in meiner Argumentation ist, dann muss sich Philipp Weber auch den Vergleich mit den besten der Zunft im Rückraum (links oder als Spielmacher) gefallen lassen. Dazu gehören eben aktuell Sander Sagosen, Domagoj Duvnjak, Igor Karacic, Kentin Mahe, Luka Cindric, Mikkel Hansen oder Rasmus Lauge. Von deren Regie- und Wurf-Qualitäten ist er noch ein ganzes Stückchen entfernt, obwohl er natürlich auch seine Vorzüge im schnellen „Eins-gegen-Eins“ oder im Sprung- bzw. Schlagwurf hat. Um einen weiteren Entwicklungsschritt zu nehmen, würde ich ihm raten, bei einem Verein zu spielen, der im internationalen Geschäft präsent ist. Dies zum Thema Messlatte und Weltklasse, lieber Enkel.
Eine letzte quälende Frage bitte noch Großvater. Wie lange halten die Spieler die hohe Belastung mit Bundesliga, internationalen Wettbewerben und den Meisterschaften der Nationalmannschaften aus? Zumal in diesem Jahr mit der EURO und dem Olympia-Turnier zwei herausragende Termine zu bewältigen sind.
Das ist eine höchst wichtige Frage, lieber Enkel. Diese können Dir nur die Verantwortlichen der nationalen und internationalen Verbände sowie der Handball-Ligen beantworten bzw. entscheiden. Denn aus Sicht der Gesundheit der Spieler ist das Ende der Belastungs-Fahnenstange seit Jahren erreicht. Die Verkleinerung unser Bundesliga von 18 auf 16 Vereine wäre ein erster Schritt. Der Nächste könnte die Reduzierung der Matches bei Handball EM und WM sein. Dies trifft auch auf die europäischen Vereins-Wettbewerbe zu. Aber wo kein Wille ist, sondern nur nach Marketing- und Geld-Gesichtspunkten entschieden wird, da spielt dann scheinbar die Gesundheit eine untergeordnete Rolle. Am Ende entscheiden die Spieler zu Recht, ob sie die Teilnahme an großen internationalen Meisterschaften absagen. Nur dies wäre dann auch nicht im Sinne des sportlichen Wettstreits. Trotzdem sollte eines immer im Vordergrund stehen: Die Gesundheit!
Da stimme ich Dir zu, Großvater. Und ich freue mich auf unseren nächsten Dialog. Bis dahin Grüße.
Also dann bis zum Olympia-Qualifikations-Turnier in Berlin im April, lieber Enkel. Machs gut.
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